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Der Spieler
nach Fjodor M. Dostojewski
Altonaer Theater 2023

Regie und Bühnenfassung - Georg Münzel

Ausstattung - Birgit Voss

mit

Isabella Ginocchio, Dirk Hoener, Guido Höper, Alexander Klages, Valerija Laubach, Sebastian Prasse, Jascha Schütz, Jacques Ullrich

Fotos G2 Baraniak

Presse

"Der Spieler“ schürft am Altonaer Theater jetzt tief in der menschlichen Seele: Nach dem autobiografisch geprägten Romanklassiker von Dostojewski zeichnet das am Premierenabend umjubelte Drama das beklemmende Psychogramm einer Glücksspielleidenschaft.

Getrieben von seiner Sucht und sich selbst belügend („Morgen, morgen wird alles zum guten Ende kommen“) steuert Jascha Schütz als zunehmend verzweifelter Alexej auf den Abgrund zu.

Um dessen tragisches Schicksal herum gruppierte Regisseur Georg Münzel eine schrille, in die Dekadenz abgedriftete Gesellschaft: Egoistisch nach Gewinnen strebende, auf Pump lebende und von Geldsorgen und Intrigen gebeutelte Menschen bevölkern die Bühne.

Allen voran ist es der hochverschuldete General (Dirk Hoener), der dringend neues (Spiel-)Geld braucht und daher ungeduldig auf eine Nachricht aus Moskau wartet: vom Tod der alten Erbtante. Doch statt eines Telegramms erscheint die Großtante selbst. Wunderbar skurril: Steuert Jacques Ullrich in der Rolle des höhnischen „Großmütterchens“ im Rollstuhl den extralangen Spieltisch an, um Unsummen ihres Vermögens zu verzocken, kippt die Szene ins Dämonische. „Wir alle werden, wenn wir weitermachen wie bisher, alles bis auf den letzten Groschen verspielen“, warnt Alexej. Allerdings vergebens.

Die verstrickte Geschichte über (finanzielle) Abhängigkeiten und Obsessionen fordert die Aufmerksamkeit der Zuschauerinnen und Zuschauer, aber der Theaterabend ist auch ein großes Vergnügen: Mit Energie und grotesker Komik gespielt, klug erzählt und mit „Helden“, die uns unter historischen Kostümen und Perücken ähnlicher sind, als uns lieb sein kann.

Hamburger Morgenpost

Altonaer Theater: „Der Spieler“ lässt tief in Abgründe schauen

Georg Münzel inszeniert den mehr als 155 Jahre alten Roman im Altonaer Theater mit Beatboxing-Effekten.

Die Frage, ob man diesen großen russischen Schriftsteller („Schuld und Sühne“, „Der Idiot“, „Die Brüder Karamasow“) anno 2023 spielen darf, sollte sich in einer freien demokratischen Gesellschaft niemand stellen. Die Frage ist nur, wie. Das Altonaer Theater, seit 17 Jahren dem Motto „Wir spielen Bücher“ verpflichtet, hat darauf nun eine neue, durchaus ungewöhnliche Antwort gefunden, wie die mit viel Beifall bedachte Premiere am Ostermontag zeigte.

Das betrifft weniger Sprache und Kulisse, wiewohl Ausstatterin Birgit Voß mit üppigen Kostümen und Perücken in einer mondänen Hotel- und Kasino-Kulisse im Stil des 19. Jahrhunderts ganze Arbeit geleistet hat. Der Tisch ist hier mindestens so lang wie in Putins protzigem Moskauer Präsidenten-Palast, jedoch nicht weiß, sondern aus braunem Holz und eckig. Und er bietet mehr Leben drumherum.

Regisseur Georg Münzel („Bekenntnisse des Hochstaplers Felix Krull“, „Alle Toten fliegen hoch – Amerika“) hat für seine Bühnenfassung nicht nur erneut mit Ausstatterin Voß gearbeitet. Mit Dirk Hoener und Guido Höper hat er ebenso für die musikalische Einrichtung gesorgt.

Die steht mit Beatboxing (Höper) und dem häufigen Einsatz eines Handmikrofons (etwa für Höper als Croupier) bewusst im Kontrast zur altertümlichen deutschen Übersetzung inklusive des vornehmen Französisch.

Überhaupt nutzt Münzel unter Einbeziehung des Publikums den ganzen Theatersaal. Hauslehrer Alexej etwa kommt vom rechten Gang im Parkett, ehe er den Spielsaal auf der Bühne betritt. Jascha Schütz verleiht seiner extremen „Spieler“-Figur immer wieder zutiefst menschliche Züge. Eine reife Leistung. Überzeugend spielt er den Verzweifelten, den Zerrissenen, den Getriebenen. Und wie viele männliche Helden Dostojewskis erniedrigt sich sein Alexej vor der geliebten Frau, bis sich die Demütigung schließlich in Aggression verwandelt.

Wenn der Tante dann beim Kurven um den langen Spieltisch alle hinterherlaufen, ist das ein sinnhaftes Bild für die – mit Verlaub – Geldgeilheit ihrer Verwandten und eine treffende Übertragung ins gesellschaftliche Hier und Heute. Auch dieses „Großmütterchen“ wird beim Roulette alles verspielen und verlieren.

„Rien ne va plus“? In der Typologie der Glücksspieler, männliche wie weibliche, gewinnt die attraktive halbseidene Blanche, Flamme des Generals, im zweiten Teil noch überraschend Konturen. Valerija Laubach kann als Frau, der die Verachtung ihrer Mitmenschen egal ist, auch mit Gesang glänzen. Doch eine Verliererin in diesem Spiel um Liebe, Sucht und Geld ist auch sie. Wie alle.

Hamburger Abendblatt

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